Fluchtwege in Arbeitsstätten

Fachgutachten zu Fluchtwegen in Arbeitsstätten – Einfluss von Wegbreite, Treppen, Türen und Einengungen auf die Entfluchtung

Ein wesentliches Schutzziel beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ist, dass sich die Beschäftigten bei Gefahr unverzüglich in Sicherheit bringen und sie schnell gerettet werden können. Arbeitgeber müssen dafür Vorkehrungen treffen (ArbStättV § 4 Abs. 4). Von großer Bedeutung ist dabei die Gestaltung von Fluchtwegen und Notausgängen. Konkrete Maße für Anzahl, Anordnung und Abmessung der Fluchtwege finden sich in der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.3 „Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan“. Die hier enthaltenen Werte stammen z. T. aus früheren Richtlinien (z. B. ASR 10/1 Ausgabe September 1985, ASR 17/1.2 Ausgabe Januar 1988). Durch den Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) wurde deshalb eine Projektgruppe beauftragt, die ASR A2.3 zu prüfen und an den Stand der Technik anzupassen.

Im Auftrag der BAuA wurde nach öffentlicher Ausschreibung ein Konsortium der accu:rate GmbH München und IST GmbH Frankfurt am Main mit einem Fachgutachten beauftragt. Darin wurde untersucht, inwieweit die Breite von Wegen, Treppen, Türen und Einengungen die Entfluchtungszeiten beeinflussen und welchen Einfluss eine zeitlich versetzte Nutzung der Fluchtwege bei mehrgeschossigen Gebäuden hat. In einer ergänzenden Untersuchung wurden die Wechselwirkungen zwischen der Anzahl Ebenen, Anzahl Personen pro Ebene sowie den Treppenbreiten analysiert. Im Fachgutachten werden zur Berechnung zwei voneinander unabhängige mikroskopische Simulationsmodelle sowie Vergleichsrechnungen mit makroskopischen Strömungsmodellen eingesetzt. Mikroskopische Simulationsmodelle können im Gegensatz zu makroskopischen Strömungsmodellen bauliche Situationen mit deren Geometrien sowie Personen und deren Verhalten detailliert berücksichtigen. Zur Auswertung werden zudem Ergebnisse aus Modelluntersuchungen und der Fachliteratur herangezogen.

Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass kurze Einengungen auf horizontalen Fluchtwegen kaum Auswirkungen auf die Gesamtentfluchtungszeit sowie auf die Passagezeit einzelner Personen haben. Längere Einengungen auf horizontalen Fluchtwegen, die in der Praxis beispielsweise durch Abstellen von Möbeln in Gängen vorhanden sein können, haben dagegen einen deutlichen Einfluss auf die Entfluchtungszeiten. Dies führt zu Verzögerungen bei der Entfluchtung. Die Analysen zeigen weiterhin, dass ein steter linearer Zusammenhang zwischen Fluchtwegbreite und Gesamtentfluchtungszeit besteht. Treppen im Verlauf von Fluchtwegen führen zu einer Abbremsung des Personenstromes. Besteht ein Fluchtweg aus horizontalen sowie vertikalen Elementen (Treppen), so sind die Einengungen entlang des Ganges einschließlich einer in den Treppenraum mündenden regelkonformen Tür vernachlässigbar, da die eigentliche Flussreduktion durch die Treppen verursacht wird. Bei mehrgeschossigen Gebäuden kommt es ab einer bestimmten Personenbelegung der Etagen in den Treppenräumen zu einer Verdichtung des Personenstroms, die sich auf die Geschwindigkeit sowie den Zugang aus den Ebenen in den Treppenraum auswirkt, teilweise mit deutlichen Verzögerungen.

Zusätzlich wurde für ein Schulgebäude untersucht, welche Einfluss die Breite der Türen von Unterrichtsräumen auf die Gesamtentfluchtungszeit haben. Hier zeigt sich ebenfalls, dass die Breite von Türen von Unterrichtsräumen von 0,90 m und 1,20 m keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtentfluchtungszeit hat und auch hier die Breite der Treppen der dominierende Faktor ist.

Das Gutachten wurde mit der 2. Auflage um weitere Untersuchungen für mehrgeschossige Gebäude ergänzt. Dabei wurden systematisch die Wechselwirkungen zwischen der Anzahl Ebenen, Anzahl Personen pro Ebene sowie den Treppenbreiten analysiert. Für eine Bemessung und Bewertung der lichten Breite von Treppen als Teil von Fluchtwegen können neben dem Kriterium „maximale Anzahl der Personen im gesamten Einzugsgebiet einer Treppe“ auch die Kriterien „sequenzielle Alarmierung“ einzelner Etagen sowie „freier Fluss“ beim Zugang zum Treppenraum in Abhängigkeit von der Personenbelegung in den Ebenen angewendet werden.

Das Gutachten kann hier kostenfrei heruntergeladen werden:    https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/Gd99.pdf?__blob=publicationFile&v=8